Düren: Das Wort von der lebenden Legende machte die Runde. Und es schien, als wolle die lange Schlange der Autogrammjäger ein Ausrufezeichen dahinter setzen.

Krankenschwestern mit jahrzehntelanger Berufserfahrung reihten sich dort ein, genauso wie junge Frauen und Männer, die gerade in die Pflegeausbildung gestartet sind. Der Name Liliane Juchli ist ihnen allen ein Begriff, denn kaum jemand hat die Pflege im deutschsprachigen Raum seit den 50er Jahren des vergangenen Jahrhunderts so geprägt wie die Schweizer Ordensfrau. Und so verwunderte es nicht, dass der Besuch von Schwester Liliane 250 Menschen in den Winkelsaal von Schloss Burgau lockte.

Ins Schloss eingeladen hatte das Krankenhaus Düren, das die Schwester, die im Oktober ihren 80. Geburtstag feierte, im Rahmen seines Pflegeforums 2.0 präsentierte. „Professionalisierung: Auftrag für Generationen“ war die Veranstaltung überschrieben, zu der Krankenhaus-Geschäftsführer Dr. Gereon Blum neben Schwester Liliane den Pflegewissenschaftler und -funktionär Thomas Kutschke als Vertreter der jüngeren Generation von Pflege¬experten begrüßen durfte. Den Anfang machte die Schweizer Ordensfrau, die vor 40 Jahren mit ihrem Lehr- und Lernbuch „Allgemeine und spezielle Krankenpflege“ so etwas wie die Geburtshelferin der Pflegewissenschaft wurde.

„Erlebte Pflegegeschichte“ hatte sie ihren Vortrag genannt. Und die beeindruckendsten Passagen ihrer Zeitreise durch die Pflegegeschichte waren dann auch die, in denen Schwester Liliane ihre eigene Entwicklung nachzeichnete – vom „zu viel schwatzenden Kind“ über die „immer fragende Jugendliche“ bis zur reifen Frau, die sich über das Erreichte freuen darf, ohne dabei die Neugier auf das Neue und die Lust am Mitgestalten des Neuen zu verlieren. Die Neugier der jungen Schwesternschülerin war es, die den Weg von einer rein praktisch orientierten Ausbildung zur pädagogischen und wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit der Pflege ebnete.

„Was wir damals lernten, orientierte sich nur am Vorbild der Stationsschwester“, blickte die 80-Jährige zurück in die beginnenden 50er Jahre. Doch aus dem Auftrag, das Erlernte in einem Tagebuch festzuhalten, entwickelte sie damals den Antrieb, immer mehr zu erfahren und immer mehr zu notieren. „Ich habe die älteren Schwestern mit meinen endlosen Fragen sicher genervt“, muss Schwester Liliane heute noch schmunzeln, wenn sie zurückdenkt. Doch schließlich wurden ihre Aufzeichnungen Grundlage für das erste Pflege-Lehrbuch, das später im renommierten Thieme-Verlag veröffentlicht und in zahlreichen Auflagen über eine Million Mal verkauft wurde. Wie stark ihr Beitrag zur Professionalisierung der Pflege alleine damit war, lässt sich leicht erahnen.

Doch Schwester Liliane hat nie aufgehört, ihre wertvollen Beiträge zu leisten. Ob als Buchautorin, als Lehrerin, Referentin oder als Ratgeberin – bis heute ist sie immer wieder gefragt, wenn es um die historische Entwicklung und die Zukunft der Pflege geht. Denn die Ordensfrau, über die im Anschluss an ihren Vortrag ein sehr gelungenes filmisches Porträt gezeigt wurde, hat von ihrer Neugier und ihrer Offenheit für Veränderung nichts verloren.

Auch zu aktuellen Fragen einer Akademisierung der Pflegeausbildung oder zu anderen Konzepten gegen den drohenden Pflegenotstand hat sie ihre Meinung, die keineswegs rückwärtsgewandt ist. So konnte sie im Winkelsaal von Schloss Burgau auch zu Vielem zustimmend nicken, was Thomas Kutschke unter der Überschrift „Herausforderungen der Zukunft“ präsentierte. Thomas Kutschke, Geschäftsführer der Katholischen Bildungsstätte für Gesundheits- und Pflegeberufe in Mönchengladbach, engagiert sich unter anderem als Landesvorsitzender im Bundesverband Lehrende Gesundheits- und Sozialberufe und als stellvertretender Landesvorsitzender des Deutschen Pflegerates.

Seine Botschaft: „Nur wenn wir Schulabgängern auf allen Qualifikationsstufen attraktive Einstiegsmöglichkeiten in die Pflege bieten, haben wir eine Chance, dem Pflegenotstand erfolgreich zu begegnen.“ Dass die Politik bestrebt sei, das Niveau der Pflegeausbildung abzusenken, um den dringend benötigten Nachwuchs in erster Linie von den Hauptschulen zu holen, sei der falsche Weg, betonte Kutschke.

Richtig sei eine Differenzierung der Pflegeausbildung, von der Pflegeassistentenausbildung bis zu Bachelor- und Master-studiengängen, die zu Führungsfunktionen in der Pflege qualifizieren. „Wir steuern darauf zu, dass 80 Prozent eines Jahrgangs die Schullaufbahn mit dem Abitur beenden. Auf diese große Gruppe zu verzichten, können wir uns auf keinen Fall leisten“, mahnte der 46-Jährige. Noch werde in Deutschland durch ein Studium „von der Pflege wegqualifiziert“. Dies müsse dringend durch ein Studium ersetzt werden, das für die Pflege qualifiziert. Von besonderer Bedeutung sei das auch mit Blick auf Europa, wo die Pflegeausbildung fast flächendeckend bereits akademisiert ist.

Und was ist mit den langjährigen Führungskräften in der Pflege, wenn junge Kolleginnen und Kollegen mit Studienabschluss in ihre Funktionen drängen? „Davor muss sich niemand fürchten. Es wird ein sehr langwieriger Entwicklungsprozess“, antwortete Thomas Kutschke auf eine der Fragen, die in der abschließenden Diskussion mit dem Publikum gestellt wurden. Heinz Lönneßen, Leiter der Schule für Gesundheits- und Krankenpflege am Krankenhaus Düren, hatte die gelungene Veranstaltung federführend organisiert und moderierte auch das kurzweilige Podiumsgespräch. Für Liliane Juchli hieß es danach wieder fleißig Autogramme schreiben, denn die rund 20-minütige Pause hatte bei weitem nicht ausgereicht, um alle Wünsche zu erfüllen. 

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